"Kleiner König"



Der kleine König saß an seinem Teich und planschte mit den Füßen darin herum. Er war nur ein sehr kleiner König mit einem sehr kleinen Königreich und deshalb konnte er es sich leisten, auch mal einen Nachmittag mit den Füßen im Wasser zu planschen.
Er saß also, planschte und dachte über dies und das nach. Er war sehr beliebt bei seinen Untertanen und seine Nachbarn bemerkten sein kleines Königreich auf der Lankarte nur selten und wenn dann hatten sie nie die rechte Lust eine Armee aufzustellen und das kleine Königreich zu erobern.
Wie der kleine König also so saß und nichts zu tun hatte außer mit den Füßen im Wasser zu planschen, beschloß er sich Sorgen zu machen. Was - dachte er - Was, wenn seine Nachbarn eines Tages beschlossen doch eine Armee aufzustellen um sein kleines Königreich zu erobern? Es müßte wohl nur eine sehr kleine Armee sein, dachte er weiter, denn schließlich besaß sein kleines Königreich keinen einzigen Soldaten - abgesehen vielleicht von der kleinen Königin, die schon ein sehr grausiger Anblick war, wenn sie mit dem Nudelholz bewaffnet, auf der Suche nach dem Puderzucker war.
Vor lauter Sorgen vergaß der kleine König ganz das planschen und schließlich war er fertig mit dem Sorgen machen und bereit für einen Entschluß. Schnell sprang er auf und lief von seinem Schloßteich mit nackten Füßen zum Schloß und rief "Wir brauchen eine Armee!". Verwundert kam sein Berater angelaufen, seinen weißen Bart hinter sich herzerrend. Aufgeregt erzählte ihm der kleine König wie er im Wasser geplanscht hatte, wie er sich Sorgen gemacht hatte und schließlich einen Entschluß gefasst hatte.
Der Berater hörte ihm lange und ruhig zu, strich sich durch seinen Bart und meinte schließlich einen Sinn in den Ausführungen des kleinen Königs zu erkennen. So war es dann also beschlossende Sache. Das kleine Königreich des kleinen Königs sollte eine Armee bekommen. Wochenlang war der kleine König damit beschaäftigt eine Armee aufzustellen und kam überhaupt nicht mehr zum planschen.
Die Nachbarn des kleinen Königreichs bemerkten natürlich die Bemühungen des kleinen Königs und ihre Spione berichteten ihnen die schaurigsten Geschichten von angeblichen Kriegsplänen und Invasionen. Was blieb ihnen also übrig als ihrerseits ebenfalls Armeen aufzustellen und schließlich dem kleinen Königreich und seinem kleinen König den Krieg zu erklären.
Für viele Monate war das kleine Königreich in einen grausamen Krieg gestürzt und obwohl die Einwohner des kleinen Königreichs tapfer für ihren kleinen König kämpften mußten sie sich schließlich der Übermacht unterwerfen. Als der Krieg zu Ende war und das kleine Köngreich eine kleine Provinz des großen Nachbarn geworden war, saß der kleine ehemalige König in einer Kerkerzelle und planschte mit den Füßen in einem Waschzuber. Nur wollte es ihm heute keinen rechten Spaß bereiten, er dachte an seinen Teich, das verlorende kleine Königreich und an den Krieg und schließlich mußte er weinen und dicke Tränen kullerten ihm über das kleine Gesicht.
Auch in der Nachbarzelle weinte jemand. Es war der Berater des Königs. Er saß da und weinte - nicht um den Teich oder das verlorende Königreich oder gar wegen des Krieges - er weinte um seinen langen weißen Bart den man ihm abgeschnitten hatte.